19.07.2021

Wie viele Treibhausgas-Emissionen verursacht eigentlich eine Schule? Das untersuchen Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Projekts Schools4Future. Gemeinsam mit Schulträgern, Lehrkräften, Eltern und den Projektpartnern Wuppertal Institut und Büro Ö-Quadrat ermitteln sie den CO2-Fußabdruck ihres Lernorts und suchen nach Möglichkeiten, die Öko-Bilanz zu verbessern. Zwei Jugendliche, die sich dabei einbringen, sind Noemi Coll Barroso und Jonathan Kriener. Im Gespräch erzählen sie, wo es an ihrer Schule hapert und was man besser machen könnte.

Hand aufs Herz: Was verursacht an Ihrer Schule das meiste CO2?

Coll Barroso: Auf jeden Fall das Gebäude. Zum Beispiel ist in einem Raum die Heizung kaputt und kann nicht ausgeschaltet werden. Auch viele Fenster sind kaputt oder undicht. Wegen Corona war aber Stoßlüften verpflichtend. Im Winter haben wir trotz dicker Jacken in unseren Klassenräumen dann oft gefroren. Wenn dabei die Heizung volle Pulle an ist, verschwindet ziemlich viel Energie.

Kriener: Das ist an meiner Schule auch so. Da kann man der warmen flimmernden Luft dabei zusehen, wie sie nach draußen zieht. Das hat ein Wärmebild von der Außenfassade gezeigt: Überall rote Flächen, weil die Wände dünn sind und das Gebäude schlecht isoliert ist. Bei uns ist auch Mobilität ein großes Thema. Wir machen viele Klassenfahrten und Schüleraustausche – auch in die USA, nach Australien und Neuseeland. Unsere Umfragen haben auch gezeigt: Viele Schüler- und LehrerInnen würden zwar gern mit dem Rad oder zu Fuß zur Schule kommen, aber sie nutzen das Auto.

Das klingt nach viel Handlungsbedarf. Welche Ideen haben Sie gesammelt an Ihren Schulen, wie die aufgezählten Probleme gelöst werden könnten?

Coll Barroso: Lüftungsanlagen wären doppelt gut. Man könnte damit den Energieverbrauch und die Ansteckungsgefahr mit Corona senken.

Kriener: Wir wollen Schüleraustausche nicht verbieten, aber bei näheren Zielorten wäre ein Verbot von Kurzstreckenflügen gut. Wir wollen lieber Bus und Bahn nutzen, auch wenn’s länger dauert und teurer ist. Die meisten Schulen haben keinen ausgebauten Fahrradweg zur Schule. Da müsste man die Infrastruktur schaffen. Wir bräuchten also ein ausgebautes Radwegenetz und man müsste ein Rad sicher und witterungsbeständig an der Schule abstellen können.

Noemi Coll Barroso im Bundestag
© Oliver Wagner/ Wuppertal Institut
Konzentriert beim Vortrag: Noemi Coll Barroso präsentiert das Projekt Schools4Future in einer Sitzung der Kinderkommission im Bundestag.

Ihre Ideen und Handlungsempfehlungen haben Sie bereits öffentlich gemacht: Im Juni hatten Sie Gelegenheit, das Projekt im Rahmen eines Fachgesprächs der Kinderkommission des Deutschen Bundestags vorzustellen. Wie war es dazu gekommen?

Coll Barroso: Das war natürlich eine große Sache, dass wir nach Berlin eingeladen wurden. Die Kommission hatte den Wunsch gehabt, die Stimmen junger Leute zu hören und sich damit ans Wuppertal Institut gewendet. Der Projektleiter Oliver Wagner hat die Einladung dann an uns weitergegeben. Ich wurde angesprochen, weil ich bereits signalisiert hatte, dass ich an Kommunikation interessiert bin und das Projekt gern anderen Schülerinnen und Schülern vorstellen würde. Bei dem Auftritt war es mir aber wichtig, nicht nur die Sicht einer Schule einzubringen.

Kriener: Ich war im Rahmen des Projekts in Kontakt mit Sebastian Albert-Seifried von Büro Ö-Quadrat. Er hat mich gefragt, ob ich mit nach Berlin fahren möchte. Da war ich erstmal überrascht, aber habe zugesagt.

Wie haben Sie sich auf den Termin vorbereitet?

Coll Barroso: Wir haben ein Vernetzungstreffen von Vertretern aller teilnehmenden Schulen organisiert. Online natürlich. Ich wollte einen Blick dafür bekommen: Wen vertreten wir überhaupt? Dabei stellte sich heraus, dass die beteiligten Schulen mit ähnlichen Problemen kämpfen, unabhängig vom Ort. Das Treffen war die Grundlage für unser Statement; das haben wir anschließend selber gemacht. Wir hatten auch eine gute Unterstützung vom Büro Ö-Quadrat und vom Wuppertal Institut. Mein Deutschlehrer hat auch aktiv geholfen und mal darüber geschaut, wie das Statement rhetorisch aussieht.

Kriener: Durch das Treffen haben wir wirklich extrem viel Input gekriegt. Alleine hätten wir gar nicht an alles denken können, aber so konnten wir das Wichtigste rausholen.

Coll Barroso: Jonathan und ich haben dann ein Shared Document (redaktionelle Anmerkung: Freigegebenes Dokument, das die Arbeit mehrerer Personen an einer Datei ermöglicht) angelegt und gemeinsam daran geschrieben. Zwischendurch haben wir uns telefonisch abgestimmt. Ich bin froh, dass wir das als Team machen konnten und ich würde behaupten, wir haben das gut hingekriegt (lacht).

Wie haben Sie den Auftritt selbst dann vor Ort in Berlin erlebt?

Kriener: Das war schon relativ aufregend. Ich hatte aber mehr Nervosität erwartet.

Coll Barroso: Ich war schon ein bisschen nervös und habe einen kleinen Moment gebraucht, um reinzukommen beim Vortragen.

Noemi Coll Barroso, Susann Rüthrich und Jonathan Kriener im Bundestag
© Oliver Wagner/ Wuppertal Institut
SPD-Abgeordnete Susann Rüthrich (Mitte) freute sich darüber, Noemi Coll Barroso und Jonathan Kriener kennenzulernen.

Nach dem Vortrag hat sich Sitzungsleiterin Susann Rüthrich für Ihre Einblicke, konkreten anschaulichen Beispiele und die damit verbundenen Forderungen an die Politik bedankt. Welche Reaktionen haben Sie sonst noch bekommen?

Coll Barroso: Wegen Corona waren nur wenige Abgeordnete da, aber die, die da waren, waren sehr freundlich. Natürlich hoffen wir, dass ein bisschen was hängen geblieben ist.

Kriener: Die Sitzung wurde ja aufgezeichnet. Den Link zum Video haben wir an alle rumgeschickt, Familie, Freunde, unsere Lehrerinnen und Lehrer und natürlich ans Wuppertal Institut und an Büro Ö-Quadrat. Da haben wir sehr viel gutes Feedback bekommen.

Nachdem dieser Auftritt vergangen ist: Was möchten Sie im Rahmen des Projekts als nächstes angehen?

Kriener: Wir wollen mit der Schools4Future-AG jetzt endlich richtig anfangen. Bisher hatten wir nur ein dreiwöchiges Online-Projekt im Januar in meiner Klasse. An der AG können dagegen alle SchülerInnen ab der zehnten Klasse teilnehmen.

Coll Barroso: Das ist an meiner Schule ähnlich. Wenn es die Lage zulässt, wollen wir ab dem nächsten Schuljahr durchstarten mit einer aktiven AG. Bisher war ja alles online. Bei Videokonferenzen war bisher immer mal wieder das Internet weg und es ist online auch schwieriger, SchülerInnen zu finden, die sich beteiligen wollen. Besser man ist präsent und trifft sich vor Ort.

Apropos „präsent und vor Ort“: Der Name des Projekts ist angelehnt an den der sozialen Bewegung Fridays4Future. Vor der Pandemie sind viele Schülerinnen und Schüler regelmäßig auf die Straße gegangen und haben für mehr Klimaschutz demonstriert. Wie stehen Sie zu der Bewegung und wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, sich zu engagieren, im Vergleich zu Schools4Future?

Coll Barroso: Bei Fridays4Future habe ich mitgemacht bis ich ein Auslandsjahr eingelegt habe. Der Druck auf die Politik ist natürlich nach wie vor unfassbar wichtig. Für mich fühlt es sich aktuell besser an, mit Schools4Future in meinem Heimatort in kleinen Schritten was zu erreichen.

Jonathan Kriener und Noemi Coll Barroso vor dem Reichstagsgebäude
© Oliver Wagner/ Wuppertal Institut
Erinnerungsfoto: Jonathan Kriener und Noemi Coll Barroso posieren vor dem Reichstagsgebäude mit einem Roll-up "Ihres" Projekts.

Kriener: Ich finde die Bewegung Fridays4Future gut. Und auch, dass sich so viele junge Menschen treffen, um gegen die Klimapolitik zu demonstrieren. Nur passiert da nicht direkt was. Der entscheidende Unterschied bei Schools4Future ist, dass man schneller Erfolge sehen kann. Das liegt daran, dass sich die Führung einer Schule von der Dimension im Vergleich zur Klimapolitik deutlich unterscheidet. Ich finde es ganz wichtig, Erfolge zu sehen, sonst ist die Motivation schnell weg.

Einer der ersten Erfolge war sicher der Auftritt in der Kinderkommission. Angenommen, Sie hätten einen Wunsch frei in puncto Klimaschutz an Ihrer Schule: Was würden Sie sich wünschen und wieso?

Coll Barroso: Die Schule ist ein öffentliches zweites Zuhause eines jeden Schülers. Ich finde, wir haben ein Anrecht darauf, dass ein Ort, an dem man so viel Zeit verbringt, keinen Schaden für die Umwelt bringt.

Kriener: Wir müssen zeigen, dass es wichtig ist zu handeln und was zu machen. Im Schulalltag findet zu wenig Aufklärung über den Klimawandel statt. Das Thema sollte im Lehrplan stehen und es müsste mehr richtiges fundiertes Wissen verbreitet werden.

Coll Barroso: Das Thema wird eher kurz mal angerissen. Zum Beispiel vor den Sommerferien ist noch etwas Zeit, dann sagen die LehrerInnen „Ach dann sprechen wir nochmal über Klimawandel“. Leider sind viele auch nicht auf dem aktuellsten Stand, da stimme ich Jonathan zu. Wir versuchen jetzt, ein Konzept zu erstellen, dass sich die SchülerInnen wenigstens an einem Tag im Schuljahr nur mit Klimawandel beschäftigen.

Kriener: Es sollte einfach bei mehr oder bei allen das Bewusstsein und eine Gewissheit da sein, dass wir was machen müssen. Momentan ist noch zu wenig Druck da, eher die Haltung „Können ja die Anderen machen“. Deswegen bleibt es oft bei Freiwilligen-AGs. Für unsere AG haben sich aus vier Klassen bisher nur zwölf SchülerInnen gemeldet. Das ist schon unmotivierend. Ich wünsche mir, dass sich mehr Leute in den Kopf rufen, was Schools4Future bewirken kann. Es sind zwar viele kleine Schritte, aber wenigstens etwas.

Coll Barroso: Ich wünsche mir auch, dass die Notwendigkeit zu handeln, nicht mehr hinterfragt wird. Und dass die Klimaschutz-Maßnahmen, die wir an meiner Schule entwickeln, an allen Schulen angewendet werden können.

Das Interview führte Katharina Klöber, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Projekt Schools4Future im Forschungsbereich Energiewende und Gesellschaft. Den Rahmen dafür bildet das 7. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.

Schools4Future – Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe klimaneutrale Schulen

För­der­kenn­zei­chen: 03EI5211A-B

Projektlaufzeit
01.05.2020 30.04.2023 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Energiewende und Gesellschaft

För­der­sum­me: rund 620.000 Euro

Video

Hier finden Sie die Aufzeichnung des Auftritts von Noemi Coll Barroso und Jonathan Kriener im Rahmen der Sitzung „Kindgerechte Lebensräume für alle Kinder“ der Kinderkommission des Deutschen Bundestags.

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Website

Die Internetpräsenz des Projekts Schools4Future bietet Informationen zur Projektidee, zu Neuigkeiten und einen Pressespiegel.

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BMWK/Holger Vonderlind