Das Energiesystem muss immer stabil sein. Im Zuge der Umstellung auf Strom aus erneuerbaren Quellen entstehen neue Herausforderungen dabei, dies zu gewährleisten. Ein Forscherteam hat im Rahmen des Verbundvorhabens ReserveBatt ein neues Verfahren getestet, das dazu beiträgt, die Netzfrequenz im Gleichgewicht zu halten. Federführend bei dem Projekt war das Forschungszentrum Energiespeichertechnologien der Technischen Universität (TU) Clausthal in Goslar.

Wie mit einer Waage, deren zwei Schalen in Balance stehen, ist es auch mit dem elektrischen Energiesystem. Die ins Netz eingespeiste Menge an Energie, die Windräder und Photovoltaik-Anlagen erzeugen, entspricht immer der Menge an Energie die am anderen Ende der Leitung, den Steckdosen in Betrieben und Haushalten, verbraucht wird. Kurzfristige Leistungsschwankungen und damit auch die der Netzfrequenz müssen Übertragungsnetzbetreiber sofort ausgleichen.

Dafür benötigen sie unter anderem die sogenannte Momentanreserve, also elektrische Leistung, die kurzfristig zur Verfügung stehen muss. Bislang wird diese Momentanreserve überwiegend von konventionellen Kohlekraftwerken bereitgestellt. Große rotierende Massen in den Generatoren der Kraftwerke sind so träge, dass sie kurze Frequenzschwankungen im Netz auffangen. Einmal in Bewegung, kann die Schwungmasse der Rotoren nämlich nicht so schnell abbremsen, sodass die Netzfrequenz für einige Sekunden im Takt gehalten wird, bis andere Maßnahmen greifen.

Fachleute suchen neue Wege, Momentanreserve herzustellen

Werden im Rahmen der Energiewende Kohlekraftwerke nach und nach abgeschaltet, muss die Momentanreserve anderweitig bereitgestellt werden. In dem Projekt ReserveBatt haben Forscherinnen und Forscher dies mittels künstlich erzeugter Schwungmasse gelöst. Die Fachleute haben eine über Frequenzwandler mit dem Netz gekoppelte Batterie entworfen, die durch geeignete Steuerung die Momentanreserve erbringt. Dieser Speicher-Demonstrator enthält als Frequenzwandler einen bidirektionalen Wechselrichter, der eine Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterie mit dem Versorgungsnetz koppelt und den Energiefluss steuert.

Demonstrator-Stack-Wechselrichter
© Technische Universität Clausthal, Forschungszentrum Energiespeichertechnologien
Das Foto zeigt die drei integrierten Phasenbausteine eines 400-Kilovoltampere-Demonstrator-Stack-Wechselrichters von Infineon.

„Leistungselektronische Betriebsmittel, wie beispielsweise Wechselrichter, werden zukünftig in Kombination mit Kurzzeit-Energiespeichern den Wegfall der rotierenden Massen in Großkraftwerksgeneratoren kompensieren müssen, damit die Netzstabilität erhalten bleibt“ sagt Projektleiter Prof. Hans-Peter Beck, Leiter des Instituts für Elektrische Energietechnik und Energiesysteme der TU Clausthal (IEE).

Um herauszufinden, welche Batterie sich am besten eignet, testete das Forscherteam verschiedene Batterietypen. In einem Feldversuch in Goslar untersuchten die Fachleute anschließend, wie viel Kraftwerksäquivalent an Schwungmasse sie mit dem entwickelten Speichersystem theoretisch erzeugen können. „Nach unseren Hochrechnungen könnte man mit der gewählten Batterie die Momentanreserve-Leistung eines Ein-Megawatt-Kraftwerks elektrisch nachbilden“, erläutert Dr. Ralf Benger vom IEE.

Für Systemdienstleistungen entstehen neue Märkte

Im Rahmen des Feldtests war der Speicher-Demonstrator ans öffentliche Verteilnetz, also die lokale Energieverteilung, angeschlossen. Das Ziel der Expertinnen und Experten: Aussagekräftige Ergebnisse gewinnen und darauf aufbauend Empfehlungen für den vorgesehenen späteren Einsatzbereich geben. „Für die Momentanreserve existiert derzeit noch gar kein Markt, da sie ja bislang kostenfrei und automatisch vom Kraftwerksgenerator erbracht wurde“, erklärt Ralf Benger.

Das bedeutet, dass Verwertungsmöglichkeiten und mögliche Geschäftsmodelle für die Erbringung von Systemdienstleistungen, wie unter anderem die Bereitstellung von Momentanreserve, entwickelt werden müssen. „Wir verfolgen den Ansatz, die Dynamik der Leistungsbereitstellung zu vergüten. Also je schneller und leistungsstärker die Reaktion auf Netzereignisse, desto höher die Vergütung“, erklärt Benger. Es ist aber auch eine Regelung über die Anschlussbedingungen möglich. Entscheidend ist, dass genügend Momentanreserve zur Netzstabilisierung bereitgestellt wird.

Der Markt für solche Lösungen muss noch definiert werden. „Am ehesten bieten sich aktuell Industrienetze an“, meint Ralf Benger und fügt hinzu, „wenn wir an das „richtige“ Stromnetz wollen, müsste sich an den gesetzlichen Rahmenbedingungen etwas ändern.“ (kkl)

Projektpartner

ReserveBatt: Systemdienstleistungen für den sicheren Betrieb des Energieversorgungssystems: Momentanreserve mit Hochleistungsbatterien

För­der­kenn­zei­chen: 03ET6123A-G

Projektlaufzeit
01.06.2017 31.05.2021 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Speicher

För­der­sum­me: knapp 2,7 Millionen Euro

Abschlussbericht

Das öffentliche Dokument finden Sie bei der Technischen Informationsbibliothek Hannover.

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„Für die Momentanreserve existiert noch kein Markt“

Im Interview von 2018 erzählen Prof. Hans-Peter Beck und Dr. Ralf Benger, was sie im Projekt ReserveBatt konkret vorhaben und welche Rolle die Batterie spielt.

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BMWK/Holger Vonderlind

Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat das Projekt ReserveBatt im Forschungsbereich Energiespeicher innerhalb des Schwerpunkts „Elektrochemische Speicher“ gefördert. Den Rahmen dafür bildet das 6. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.