28.04.2023

Wer für den selbst erzeugten Strom der eigenen Photovoltaikanlage einen Heimspeicher kaufen möchte, tut sich bei der Auswahl oft schwer. Um Käufern einen besseren Überblick über den Speichermarkt zu ermöglichen, hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin die Stromspeicher-Inspektion ins Leben gerufen. In der Studie werden jährlich verschiedene Speicher gegenübergestellt. Im Rahmen des Forschungsprojekts Perform ist nun eine Web-Anwendung entstanden, die es Käufern noch leichter macht, den passenden Heimspeicher zu finden.  Wie das Tool funktioniert und warum die Stromspeicher-Inspektion so nützlich ist, erklärt Nico Orth von der HTW im Gespräch.

Porträtfoto Nico Orth
© Nico Orth/ HTW Berlin
Nico Orth ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Orths Schwerpunkt liegt auf der effizienten Speicherung von Solarstrom.

Warum braucht es Ihrer Meinung nach mehr Transparenz im Speichermarkt?

Orth: Seit 2018 laden wir jedes Jahr alle Speicherhersteller ein, an unserer Vergleichsstudie, der Stromspeicher-Inspektion, teilzunehmen. Viele Hersteller beteiligen sich regelmäßig mit einem oder gleich mehreren Systemen daran. Aber leider legen nicht alle Anbieter ihre Karten offen auf den Tisch. Dass sich die einzelnen Systeme zum Teil deutlich unterscheiden, hat sich auch dieses Jahr gezeigt: Zum Beispiel sind die Speicherverluste des Testsiegers im Vergleich zu einem weniger effizienten System drei Mal geringer. Wer sich für den hocheffizienten Testsieger entscheidet, kann innerhalb der ersten zehn Betriebsjahre bis zu 1700 Euro sparen. Das macht finanziell natürlich einen großen Unterschied. Aber nicht nur die Stromrechnung ist geringer, auch der persönliche CO2-Fußabdruck. Wer sich ein Photovoltaik-Speichersystem anschafft, sollte sich die Systemeffizienz also vorher genau anschauen.

Wie sind Kaufinteressenten dabei denn bislang vorgegangen?

Bevor wir 2018 erstmals unsere Studie veröffentlicht haben, war es umständlicher die Speicher zu vergleichen. Kunden mussten sich auf Datenblattangaben der Hersteller verlassen. Das war ziemlich schwierig, weil die Herstellerangaben in der Regel nur auf den ersten Blick einheitlich waren. In der Praxis gab es viele unterschiedliche Angaben wie zum Beispiel „nominale oder nutzbare Speicherkapazität“ beziehungsweise „maximaler oder europäischer Wirkungsgrad“. Mehrere Unternehmen schrieben sich auf die Fahne, das Speichersystem mit „branchenführendem Systemwirkungsgrad“, das „effizienteste Speichersystem am Markt“ oder den „effizientesten Stromspeicher der Welt“ anzubieten. Solche Behauptungen untermauerten die Hersteller aber nicht anhand von Labormessdaten und vergleichbaren Kenngrößen.

Deswegen haben Sie die Stromspeicher-Inspektion entwickelt.

Genau. Die Studie schafft echte Vergleichbarkeit: Sie basiert auf den Messwerten des sogenannten Effizienzleitfadens für Photovoltaik-Speichersysteme. Alle aufgelisteten Kennwerte wurden von unabhängigen Prüfinstituten ermittelt. Anschließend prüfen wir, ob die Ergebnisse plausibel sind und veröffentlichen diese in Form von eigenen Texten und Grafiken. Somit hebt sich die Stromspeicher-Inspektion von fragwürdigen Herstellerangaben ab, die auf manchen Datenblättern, in einigen Produktbroschüren oder Marktübersichten zu finden sind.

Die Grafik zeigt eine Ansicht des Stromspeicher-Inspektors.
© Nico Orth/ HTW Berlin
Im Stromspeicher-Inspektor kann man per Mausklick zwei Speicher auswählen und von dem Tool miteinander vergleichen lassen.

Zusätzlich zur diesjährigen Stromspeicher-Inspektion haben Sie in diesem Frühjahr ein neues Online-Vergleichstool, den sogenannten Stromspeicher-Inspektor, veröffentlicht. Welchen Mehrwert schafft das Tool?

Die Web-Anwendung erlaubt es, zwei gewählte Speichersysteme individuell und direkt miteinander zu vergleichen. Wir wenden uns damit explizit an Privatpersonen, die sich einen effizienten Heimspeicher anschaffen möchten. Wir möchten die Personen unterstützen, den passenden Speicher zu finden und ihnen mit dem Tool die Produktauswahl vereinfachen. So können Privatpersonen die wichtigsten Effizienzeigenschaften von Photovoltaik-Speichersystemen führender Hersteller spielerisch miteinander vergleichen.

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?

Wir haben den Stromspeicher-Inspektor so entwickelt, dass er möglichst intuitiv bedienbar ist. Zunächst wählen Sie zwei Solarstromspeicher aus, für die Sie sich interessieren. Im Anschluss erhalten Sie eine detaillierte, tabellarische Übersicht der wichtigsten Effizienzeigenschaften. Die analysierten Systeme im Stromspeicher-Inspektor können darüber hinaus nach der Systemtopologie (AC- oder DC-gekoppeltes System) gefiltert und zum Beispiel nach Gesamtsystemeffizienz, Speicherkapazität oder Photovoltaik-Ausgangsleistung sortiert werden.

Und, was ist dabei herausgekommen: Wie haben die untersuchten Solarspeichersysteme beim diesjährigen Vergleich abgeschnitten?

Die Mehrheit muss sich in Bezug auf die Effizienz nicht verstecken. Sieben der 18 analysierten Speichersysteme konnten wir die höchste Effizienzklasse A attestieren. Weiteren sieben die Klasse B. Damit gelten sie als „hervorragend“ oder „sehr gut“. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass erneut sogenannte Hybridwechselrichter in Kombination mit Hochvolt-Batterien bei der Effizienz auf dem Siegertreppchen stehen.

Das ist nicht nur für die Kaufinteressenten, sondern auch für die Energiewende erfreulich. Gibt es darüber hinaus eine Erkenntnis, die Sie bei der Auswertung überrascht hat?

Angaben einiger Anbieter haben mit der Praxis teilweise wenig zu tun. Beispielsweise weicht die Ausgangsleistung eines Hybridwechselrichters um 22 Prozent von dem Wert ab, den der Hersteller auf seinem Datenblatt angibt. Die nutzbare Speicherkapazität eines anderen Systems ist um 15 Prozent geringer als der Datenblattwert. Diese Abweichungen erstaunen mich doch immer wieder.

Das Projekt Perform läuft noch knapp ein Jahr. Was planen Sie in der verbleibenden Laufzeit zu erforschen?

Wir erweitern den Stromspeicher-Inspektor ab sofort kontinuierlich um Produktneuheiten und machen diese damit schneller vergleichbar. Hersteller, die in das Tool aufgenommen werden möchten, können uns kontaktieren. In der kommenden Ausgabe der Stromspeicher-Inspektion im Frühjahr 2024 werden wir außerdem erstmals Messergebnisse vorstellen, die zeigen, wie effektiv und gut die Energiemanagementstrategien von mehreren Photovoltaik-Speichersystemen sind. Dafür entwickeln wir gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie derzeit einen innovativen, standardisierten Test. Darüber hinaus arbeiten wir daran, Bewertungsverfahren für Photovoltaik-Batteriesysteme auf Basis von realen Betriebsdaten zu entwickeln. Dabei möchten wir erste grundlegende Verfahren entwickeln und überprüfen, ob wir vergleichbare Ergebnisse erzielen wie mit den Effizienzstudientests.

Das Interview führte Katharina Klöber, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt Perform innerhalb des Schwerpunkts „Stromspeicher“, speziell mit Fokus auf dem Thema Standardisierung. Den Rahmen dafür bildet das 7. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.

Perform – Bewertung der Performance von Stromspeichersystemen

För­der­kenn­zei­chen: 03EI3039A,B

Projektlaufzeit
01.03.2021 29.02.2024 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Stromspeicher

För­der­sum­me: rund 1 Million Euro

Stromspeicher-Inspektor

Logo der Stromspeicher-Inspektion
© Nico Orth/ HTW Berlin

Welches Photovoltaik-Speichersystem ist das richtige? Das können Sie auf der Website des Tools herausfinden: Sie ermöglicht eine detaillierte Übersicht der wichtigsten Effizienzeigenschaften der zuvor gewählten Systeme.

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Grafische Darstellung der Erde mit Lichtern, Globus
©imaginima/iStock

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