Ein zuverlässiges Energiesystem bei immer mehr Stromrichtern im Netz: Wie das optimal gewährleistet werden kann, hat das Forschungsteam des Vorhabens VerbundnetzStabil unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg untersucht.

Im Zuge der Energiewende wandeln sich die technologischen Grundlagen der Netztechnik fundamental, da Großkraftwerke (Kohle, Atom) durch Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE) ersetzt und immer mehr elektrische Speicher ins System integriert werden. Während Großkraftwerke bislang für die stabile Netzspannung sorgen, müssen dies künftig netzbildende Wechselrichter in EE-Anlagen und Speichern übernehmen.

„Ein stabiles Verbundsystemverhalten sicherzustellen, das im Wesentlichen auf den Eigenschaften leistungselektronischer Betriebsmittel basiert, gehört zu den größten technischen Herausforderungen der Energiewende“, sagt Dr. Joachim Lehner von TransnetBW.

Blick ins Multi-Megawatt-Labor (großer Raum mit Rechnern)
© Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Das Multi-Megawatt Lab am Fraunhofer ISE ermöglicht den Fachleuten, die elektrischen Eigenschaften von Wechselrichtern genau zu charakterisieren.

Wie sich Wechselrichter auf das Energiesystem auswirken, ist bisher jedoch weitgehend unerforscht. Die Projektpartner definierten daher zunächst die grundlegenden Anforderungen an netzbildende Wechselrichter und entwickelten anschließend ein passendes Regelungskonzept für eine marktbasierte Wechselrichterplattform für Photovoltaik und Speicher.

Danach testeten sie im Labor, wie der wechselrichter-basierte Verbundnetzbetrieb im Megawattmaßstab am besten läuft. „Erst durch die praktische Erprobung von Netzszenarien mit bis zu 100 Prozent wechselrichterbasierter Erzeugung in unserem Multi-Megawatt-Lab konnten wir die kritischen Details für den stabilen Betrieb von zukünftigen Stromnetzen untersuchen und damit die simulativen Verfahren verbessern“, berichtet Roland Singer vom Fraunhofer ISE.

Forschungsteam weist Nutzen eindeutig nach

Anhand der simulativen Methoden konnten die Projektpartner zeigen, dass für ein zuverlässiges Systemverhalten ein signifikanter Anteil netzbildender Betriebsmittel im Verbundsystem notwendig ist. „Wechselrichter sind in der Lage das Verhalten von Synchrongeneratoren zu ersetzen. Im Projekt konnten wir das unter Beweis stellen“, erklärt Heiko Oberascher von der KACO new energy.

Im Verlauf der Arbeiten wurde schnell klar, dass die netzbildenden Eigenschaften eines Wechselrichters speziell während Störfällen (beispielsweise Kurzschlüsse oder Ausfälle von Übertragungsleitungen) wichtig für den stabilen Netzbetrieb sind. In klassischen Regelungsverfahren gehen diese Eigenschaften während des strombegrenzten Betriebs jedoch verloren. Dieser Herausforderung stellte sich das Forschungsteam und entwickelte ein neues innovatives Verfahren, das eine sehr schnelle Rückkehr in den netzbildenden Betrieb sicherstellt.

Mann werkelt an Computer und Kabeln
© Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem ISE
Um die netzbildenden Eigenschaften von Wechselrichtern messtechnisch nachweisen zu können, bildeten die Mitarbeitenden das Stromnetz im Labormaßstab nach.

„Mit den Verbundnetzsimulationen konnten wir zeigen, dass netzbildende Wechselrichter die stabilisierenden Eigenschaften von großen Generatoren sowohl im Normalbetrieb als auch während Großstörungen wie etwa System-Split-Szenarien, adäquat übernehmen können“, erläutert Prof. Hendrik Lens von der Universität Stuttgart.

Nach Laborversuchen konnte das Team am Ende des Projekts in einem Test im realen Netz einen Standort des Fraunhofer ISE unterbrechungsfrei mit Wechselrichtern versorgen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtiges Erfolgsrezept

Damit das Vorhaben gelingen konnte, musste das Forschungsteam zahlreiche Aspekte der Verbundnetzdynamik berücksichtigen. Durch das breitgefächerte Know-how der Projektpartner konnte das Team einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. „Verbundnetze mit dezentralen Stromrichtereinheiten zu regeln, ist eine komplexe Herausforderung und benötigt eine tiefgreifende Expertise in den Bereich Netzdynamik und Leistungselektronik. Der Erfolg des Forschungsprojekts basiert darauf, dass wir aus beiden Fachgebieten ausgesprochene Experten an Bord hatten“, erklärt Projektkoordinator Dr. Sönke Rogalla vom Fraunhofer ISE.

Damit die gewonnenen Erkenntnisse praktisch angewendet werden können, empfehlen die Partner, die aktuell gültigen Netzanschlussrichtlinien anzupassen. Erst dann könnten entsprechende Anlagen am Netz betrieben werden. Das Team spricht sich auch dafür aus, schnell Mechanismen zu etablieren, mithilfe derer ein Markt für netzbildende Wechselrichter in Kundenanlagen geschaffen wird. (kkl)

Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat das Projekt VerbundnetzStabil im Forschungsbereich Integration erneuerbarer Energien gefördert. Den Rahmen dafür bildet das 6. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.

VerbundnetzStabil – Stabiles Verbundsystemverhalten bei umrichterbasierter Erzeugung

För­der­kenn­zei­chen: 0350015A-D

Projektlaufzeit
01.08.2017 31.12.2021 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Stromspeicher

För­der­sum­me: gut 2,6 Millionen Euro

Abschlussbericht

Das öffentliche Dokument finden Sie bei der Technischen Informationsbibliothek Hannover.

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Forschungsthema

Informationen dazu, welche Forschungsfragen rund um das Thema „Stromnetze“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert werden, finden Sie hier.

Wie Sie einen Antrag auf Förderung stellen, lesen Sie an dieser Stelle.

Mehr Informationen zu Förderprojekten, Energie-​ und Effizienztechnologien sowie förderpolitischen Leitlinien bietet das Informationssystem EnArgus.
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