Projekt ESRa
Was das Lebensumfeld mit der Akzeptanz der Energiewende zu tun hat
Projekt ESRa
Was das Lebensumfeld mit der Akzeptanz der Energiewende zu tun hat
Wie sich Regionen bei der Akzeptanz der Energiewende unterscheiden, hat das Forschungsteam des Projekts ESRa unter Leitung des Global Climate Forum in Berlin untersucht. Dabei schauten sich die Fachleute verschiedene soziale und wirtschaftliche Faktoren, wie räumliche Disparitäten, Lebensstile, Verkehrswende und Arbeitsplätze an.
Ziel war es, Handlungsempfehlungen abzuleiten, damit die Energiewende besser gelingt. Als Modellregionen wählten die Expertinnen und Experten zwei sehr unterschiedliche Regionen: die Großstadt Berlin und den ländlichen Landkreis Spree-Neiße in der brandenburgischen Niederlausitz.
In beiden Regionen sammelten sie statistische Daten und führten in verschiedenen Formaten Gespräche mit Stakeholdern. Anschließend analysierten sie die Daten quantitativ und qualitativ, identifizierten Zusammenhänge und entwarfen darauf basierend Zukunftsszenarien und Handlungsoptionen.
Große Unterschiede zwischen Stadt und Land festgestellt
Eine Methode war zum Beispiel, Ansässige im sogenannten Decision Theater zu befragen. Darin leitete das Forschungsteam Gruppengespräche, bei denen die Teilnehmenden sich eine Meinung zu bestimmten Problemen bilden konnten. Es zeigte sich, dass in Berlin Menschen gerne bereit waren teilzunehmen und sich offen zu äußern. In der Niederlausitz hingegen waren die meisten Menschen zurückhaltend, misstrauisch und von Resignation geprägt. Diese Herausforderung konnte durch großen Arbeitseinsatz seitens speziell geschulter Mitarbeitenden gelöst werden.
Die Ergebnisse zeigen auf inhaltlicher Ebene, dass in national und international vernetzten Metropolregionen wie Berlin ein politisch wirkmächtiges Milieu entstanden ist, das die Energiewende grundsätzlich unterstützt, aber die aktuellen Maßnahmen im Verkehrsbereich für viel zu schwach hält. Im Gegensatz dazu hat sich in ländlichen strukturschwachen Regionen wie der Niederlausitz ein Milieu entwickelt, das die Energiewende eher erduldet und zum Teil auch ablehnt.
Empfehlung: Bürger besser beteiligen
Nach Einschätzung des Projektteams ist beim Vorantreiben der Energiewende der Gegensatz zwischen Metropolregionen und mit Schwierigkeiten kämpfenden ländlichen Regionen bislang zu wenig berücksichtigt worden. Den dadurch entstehenden Problemen könnte laut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wirksam begegnet werden, indem partizipative Verfahren optimiert werden – erstens, indem politische EntscheidungsträgerInnen und Behörden von der Gemeinde- bis Landes- und Bundesebene die jeweiligen sozialen Gruppen so verstehen können, dass die Betroffenen das auch erfahren.
Zweitens braucht es Formen, bei denen Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen an den finanziellen Vorteilen der Energiewende beteiligt werden. „Angesichts der zusätzlichen Herausforderungen, mit denen die Energiewende durch den Ukraine-Krieg konfrontiert ist, braucht es nun eine groß angelegte und regional differenzierte Investitionsoffensive, an der die Bürgerinnen und Bürger mitwirken und von der sie profitieren“, sagt Projektleiter Prof. Carlo Jaeger vom Global Climate Forum.
Forscher entwickeln Methoden erfolgreich weiter
Zu den Ergebnissen auf Methodenebene gehört, dass zwei wichtige Innovationen eingeführt und erprobt wurden: zum einen die konzeptionelle Verknüpfung von sozialer und geographischer Realitäten, zum anderen die Verbindung von quantitativen Daten (einschließlich datenbasierter Simulationen) und Stakeholder-Gesprächen im Rahmen vertiefter Diskussionen (insbesondere die von Germanwatch eingebrachte Transformationsreise und das vom Global Climate Forum eingesetzte Decision Theater).
Die Methode der Transformationsreise hat unter anderem wichtige Hindernisse für die Energiewende sichtbar gemacht: Fachkräftemangel, manchmal schwachen politischen Rückenwind und oft mühsame bürokratische Hemmnisse. Das Vorgehen hat auch Erfolgsfaktoren verdeutlicht: Vernetzung zwischen Unternehmen und Kommunen ebenso wie intensive direkte Kommunikation mit Bürgern und Kommunen.
Mit dem Decision Theater konnten die Forschenden zeigen, dass sich dieses Format eignet, um Diskussionen zwischen Personen mit kosmopolitisch-urbanem und populistisch-marginalem Hintergrund respektvoll, geduldig und fruchtbar zu führen. Angesichts der vielfältigen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen ist dies für die Zukunft der Demokratie laut Projektteam von erheblicher Bedeutung. Wie die Fachleute betonen, ist die Frage, ob im Zug der Energiewende der Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse eingelöst werden kann oder unter Umständen verfehlt wird, offen und bedarf weiterer Forschung.
Team nutzt Erkenntnisse für weitere Zwecke
Praktisch nutzen möchte das Projektteam die Ergebnisse unmittelbar für Aktivitäten in der Lausitz und im Raum Berlin, da sich persönliche und institutionelle Kontakte im Lauf des Projekts entwickelt und vertieft haben. Nach Angaben der Forschenden könnten im Rahmen von Folgeprojekten einerseits die Ergebnisse systematisch auf andere Regionen bezogen werden und andererseits im Hinblick auf die neue Situation, die durch den Ukraine-Krieg für die Energiewende entstanden ist, weiterentwickelt werden.
Die Methode des Decision Theater, für die das Global Climate Forum den Ralf-Dahrendorf-Preis für den Europäischen Forschungsraum erhalten hatte, wird inzwischen mehr und mehr international nachgefragt. Sie kann für unterschiedliche komplexe Entscheidungen und Strategien genutzt werden – sowohl in der Politik als auch der Privatwirtschaft. (kkl)
Förderung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat das Projekt ESRa im Forschungsbereich Energiewende und Gesellschaft gefördert. Den Rahmen dafür bildet das 7. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.